1. Innenpolitik I: Die Komission des EMD
2. Die Voraussetzungen 1945 in der Schweiz
3. Konzept eines schweizerischen Atomwaffensystems
3.1 Die Waffe
3.1.1 Die Wissenschaftler
3.1.2 Der Rohstoff (Uran/Deuterium)
3.1.3 Die Nukleartechnologie
3.1.4 Der Reaktor
3.2 Der Waffenträger
3.2.1 Die Mirage
4. Aussenpolitik I: Die bewaffnete Neutralität als Konzept
5. Innenpolitik II: Die Volksabstimmung über die Atombombe
6. Aussenpolitik II: Die Atombombe als ultimativer Schutz
7. Aussenpolitik III: Der Atomwaffensperrvertrag als Alternative zur Atombombe
8. Fazit
9. Zeittafel
10. Quellennachweise
Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki stellten eine Zäsur ihrer Zeit dar. Erstmalig wurde die Bedrohung durch Waffen erkannt, welche in ihrer Zerstörungskraft unvergleichlich war und die ganze Staaten auszulöschen in der Lage waren (die apokalyptischen Vorstellungen eines nuklaren Winters und des kollektiven Suizids der Menschheit wurden erst später entwickelt). Im allgemeinen herrschte der Eindruck vor, daß man der atomaren Bedrohung nicht mehr mit konventionellen Mitteln begegnen könne und diese als Damoklesschwert über einen schwebte. Einige Staaten versuchten allerdings, dieser Bedrohung durch eine gleichwertige Aufrüstung entgegenzutreten, und die Situation, welche auch als „das Gleichgewicht des Schreckens“ bekannt war, bildete sich langsam am Horizont des Jahres 1945 heraus.
Am 3.9.1945 befasste sich in der Schweiz erstmalig die sogenannte „Landesverteidigungskommision“ mit der Situation, gefolgt vom Eidgenössischen Militärdepartment (EMD; Verteidigungsministerium der Schweiz), welches am 5.11.1945 eine Konferenz einberief. Als Folge dieser Konferenz setzte der schweizer Bundesrat (Regierung der Schweiz) eine geheime „Studienkommision für Atomenergie“ (SKA) unter dem Vorsitz des berühmtesten Nuklearforschers der Schweiz, Paul Scherrer, ein.
Historisches Lexikon der Schweiz; Stichwort: Atomwaffen, gefunden unter http://www.snl.ch/dhs/externe/protect/textes/D24625.html
Die geheimen Richtlinien umrissen den Auftrag der Studienkommission wie folgt: „Die SKA soll (..) die Schaffung einer schweizerischen Bombe oder anderer geeigneter Kriegsmittel, die auf dem Prinzip der Atomenergie beruhen, anstreben. Es ist zu versuchen, ein Kriegsmittel zu entwickeln, das aus einheimischen Rohstoffquellen erzeugt werden kann. Der Einsatz dieser Kriegsmittel auf verschiedener Art ist zu prüfen, namentlich:
a) Uranbomben als Zerstörungsmittel ähnlicher Art wie Minen für Zwecke der Defensive und aktiver Sabotage;
b) Uranbomben als Atilleriegeschosse;
c) Uranbomben als Flugzeugbomben.“
Richtlinien für die Arbeit der SKA auf militärischen Gebiet des EMD, 26. Dezember 1945. Zitiert nach: Hug, Geschichte der Atomentwicklung in der Schweiz, Seite 77.
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Schon kurz nach Gründung der SKA bildeten sich drei bis vier Kernprobleme zur Atomwaffe heraus:
1) Erzeugung des „Sprengmaterials“ (Uran-235, welches in geringen Mengen natürlich vorkommt, aber mittels Strahlung und anderer Methoden „angereichert“ werden muß, oder Plutonium, welches nicht vorkommt, aber erzeugt werden kann)
2) Know-how um das Sprengmaterial herum, welches dieses erst optimal Einsatzfähig macht.
3) Techniken, welche die Probleme 1) und 2) mit sich bringen und erst gelöst werden müssen.
Hierbei muß man sich folgendes vor Augen halten: zwar hatten die USA die Atombombe (und diese auch erfolgreich demonstriert), aber man mußte sich alles weitere Wissen selber durch weitere Forschung aneignen, das heißt: quasi bei „Null“ anfangen, wobei man nur wußte, das dieses Unterfangen erfolgreich sein kann ( Ein Problem, welches sich heutzutage in diesem Maße nicht mehr stellt, weil immer mehr Wissen und Technologie verfügbar ist).
4) Wenn die Probleme 1), 2) und 3) gelöst sind: Einen Waffenträger, welcher die Waffe zum gedachten Gegner bringt
Als erstes wäre die Frage zu beantworten, ob die Schweiz über schon im Jahr 1945 über das wissenschaftliche Know-How für den Bau von Atombomben verfügte, bzw. ob sie es in kürzerer Zeit hätte entwickeln können. Die allgemeinen theoretischen Grundlagen hierzu waren zwar schon vor dem Krieg veröffentlicht worden. Andererseits hielten sich die USA (verständlicherweise) bzgl. des Wissens um die praktisch/technische Umsetzung eher zurück, wobei diese allerdings schon damals (d. h. kurz nach dem Krieg) treffend vermutet worden sind, wie folgende Quelle beweist:
„Gespräch zwischen Bohr und Sowjetagent
Streng geheim
28. November 1945
Gen(ossen) Merkulow zur Kenntnis. L. Beria
8/XII
(handschriftlicher Zusatz)
An Genossen Stalin J. W.
...Die Treffen fanden am 14. und 16. November statt, und als Grund wurde angegeben, der sowjetische Wissenschaftler Genosse TERLEZKIJ wolle unbedingt das Institut für Theoretische Physik besuchen.
...Während der Gespräche wurden BOHR eine Reihe von Fragen gestellt, die in Moskau von dem Akademiemitglied KURTSCHATOW und anderen am Atomprojekt beteiligten Wissenschaftlern vorbereitet worden waren.
... TERLEZKIJ: Mit welchem Verfahren wurde Uran-235 in großen Mengen gewonnen, und welches Verfahren wird als das vielversprechendste angesehen (Diffusion, magnetisch oder ein anderes)?
BOHR: Die Theorie zur Gewinnung von Uran-235 ist bei den Wissenschaftlern aller Länder wohlbekannt; sie wurde vor dem Krieg entwickelt und stellt kein Geheimnis dar. Der Krieg hat nichts grundlegend Neues dazu beigetragen. Es sollte jedoch erwähnt werden, daß das Problem des Uranreaktors und auch das des damit gewonnenen Plutoniums während des Krieges gelöst wurden, obwohl beides im Prinzip nichts Neues war. Sie wurden in die Praxis umgesetzt. Die wichtigste Entwicklung ist die Trennung des Uran-235 aus der natürlichen Isotopenmischung. Sobald die erforderliche Menge an Uran-235 gewonnen ist, gibt es auf dem Weg zur Bombe keine theoretischen Schwierigkeiten mehr. Die Trennung von Uran-235 erreicht man mit dem Diffusionsverfahren, das gut bekannt ist, und auch durch Massenspektroskopie. Es wurde kein neues Verfahren eingesetzt. Der amerikanische Erfolg basiert auf der praktischen Umsetzung wohlbekannter Techniken in einem unglaublich großen Maßstab.
... TERLEZKIJ: Ist ein Uran-Reaktor machbar, der mit einem Isotopengemisch und Wasser als Moderator betrieben wird?
BOHR: Einfaches Wasser wurde auf seine Moderatoreneigenschaften hin untersucht, hat sich aber als unbrauchbar herausgestellt. Es gibt keinen Uran-Reaktor mit gewöhnlichem Wasser. Ich denke, es macht keinen Sinn, gewöhnliches Wasser als Moderator einzusetzen, weil der leichte Wasserstoff die Neutronen absorbiert und sich dabei in schweren Wasserstoff umwandelt. Diese Idee ist in Amerika nicht populär. Die Amerikaner planten ursprünglich den Bau von schwerwassermoderierten Reaktoren, aber die Herstellung von schwerem Wasser erforderte Unsummen.
... TERLEZKIJ: Werden nur das Diffusions- und Massenspektrographen-Verfahren oder eine Kombination von beiden eingesetzt, um große Mengen von Uran-235 zu erhalten?
BOHR: Die Amerikaner setzen beide Verfahren ein und kombinieren sie auch. Ich denke, die Kombination dieser beiden Verfahren ist die effektivste. Angenommen, wir haben 0,5 Prozent Uran-235. Mittels Diffusionsmethode sollten wir den Urangehalt auf das Fünffache erhöhen können. Bringt man das Uran anschließend in die Spektrographenkammer, können wir den Vorgang um das Fünffache beschleunigen. Ich weiß es nicht sicher, aber ich glaube, die Amerikaner setzen für gewöhnlich die Kombination beider Verfahren ein.
TERLEZKIJ: Wie stabil läuft die Mehrstufen-Diffusionsanlage?
BOHR: Der Umstand, daß Mehrstufen-Diffusionskammern in den USA bereits in Betrieb sind, belegt, daß der Prozeß funktioniert und auch angewandt wird. Das ist übrigens überhaupt nichts Neues. Wie Sie wissen, hat der deutsche Wissenschaftler Hertz lange vor dem Krieg die Durchführbarkeit dieses Prozesses demonstriert, indem er Helium und Neon trennte.
TERLEZKIJ: Wie erreicht man mit dem Massenspektrographen-Verfahren eine hohe Produktivität? Baut man dazu eine große Anzahl gewöhnlicher Spektrographen oder einige wenige leistungsfähige Spektrographen?
BOHR: Beides: Sie können sich nicht vorstellen, wie viele riesige Spektrographen die Amerikaner gebaut haben. Ich kenne nicht ihre genaue Größe oder ihre Anzahl, aber ich weiß, daß es einfach ungeheuerlich ist. Anhand der Photographien, die ich gesehen habe, kann ich schließen, daß dies riesige Gebäude mit Tausenden von Apparaten sind; und es gibt viele derartige Anlagen. Die Amerikaner haben also große Spektrographen in großer Stückzahl gebaut.
noch eine Größe von Experimentiertischen, wie sie in der physikalischen Forschung verwendet wurden.
Aus: Von Röntgen bis Hiroshima; Ein Dossier über die Geschichte der Atombombe
...BOHR: In den USA sind alle Reaktoren graphitmoderiert. Wie Sie vielleicht wissen, erfordert die Produktion von schwerem Wasser enorme Mengen an elektrischer Energie. Vor dem Krieg wurde schweres Wasser nur in Norwegen hergestellt. Und jeder von uns kaufte das Wasser dort. Nebenbei bemerkt: Die Deutschen machten sich während des Krieges daran, schweres Wasser für ein Reaktorprojekt zu produzieren...“
Aus: http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~kucklae/sowjet.htm (private Seiten,welche die Universität Düsseldorf den Nutzern des Rechenzentrums ermöglicht)
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Positiv für die Schweiz war hier ihre Rolle im zweiten Weltkrieg, da sie als neutraler Ort Schauplatz wissenschaftlicher Kongresse war, an denen die führenden Physiker der damaligen Zeit teilnahmen, und zudem ebenfalls als ein Ort wissenschaftlicher Forschung internationales Ansehen genoß. Der deutsche Physiker Werner Heisenberg z. B. unterichtete sowohl im Jahr 1942 als auch im Jahr 1944 an der ETH Zürich (ETHZ). Zudem stellte die Schweiz mit Paul Scherrer (ETHZ), aber auch mit Paul Huber sowie Werner Kuhn (Univ. Basel) selber hochqualifizierte Physiker, so das sie unmittelbar von diesem Wissen partizipieren konnte.
Portrait: Paul Scherrer
...
Der junge Scherrer ist ein wissenschaftlicher Senkrechtstarter. Noch während seiner Dissertation entwickelt er an der Universität Göttingen zusammen mit seinem Lehrer Peter Debye ein Verfahren zur Strukturanalyse von Mineralien, die «Debye-Scherrer-Pulvermethode». Debye erhält dafür 1936 den Nobelpreis für Chemie.
1920 ernennt die ETH Zürich den erst 30-jährigen Scherrer zum Professor. 40 Jahre wird der gebürtige St. Galler dort wirken. Er ist ein Mann radikaler Entscheidungen. Entschlossen vollzieht er Ende der 20er Jahre, inzwischen zum Institutsvorsteher avanciert, einen Schnitt: Er gibt einige Forschungsrichtungen auf und konzentriert die Kräfte des Instituts auf die Kernphysik, einen Forschungszweig, der damals im Entstehen begriffen war. Ihm widmet Scherrer die nächsten Jahrzehnte seines Lebens, energiegeladen und voller Enthusiasmus.
Schon früh erkennt Scherrer, dass die Zeiten vorbei sind, während denen alleine die besseren Ideen über den Forschungserfolg entschieden. Wer in der Kernphysik an der Spitze mithalten will, braucht grosse Maschinen, und die kosten eine Menge Geld.
Seine Vortragskunst nutzt Scherrer, um finanzielle Mittel für seinen Forscherstab zu beschaffen. Er tritt in der Öffentlichkeit auf und baut Beziehungen zur Industrie auf, wo er mit Walter Boveri einen potenten Förderer findet. Scherrer wird immer mehr zum Forschungsmanager. «Seine Lehrverpflichtungen, die Leitung des Instituts und die Beschaffung von Geldern liessen Scherrer keine Zeit mehr, eigene Forschung zu treiben», sagt Otto Huber, Physikprofessor und Scherrer-Schüler.
Dafür begründet der begnadete Lehrmeister eine eigene Schule der Physik: Über hundert Dissertationen entstehen an seinem Lehrstuhl. Dutzende seiner Schüler übernehmen leitende Positionen in Industrie und Hochschule. Am Institut nennen ihn alle «den Chef». Der «Patriarch» (Huber) hält alle Fäden in den Händen.
...
Die Zusammenarbeit mit Boveri führt in den 50er Jahren zur Gründung der Reaktor AG. In Würenlingen soll eine eigene Reaktorlinie entwickelt werden. In den 60er Jahren stellt sich dann aber heraus, dass die ehrgeizigen Ziele des unerschütterlichen Optimisten Scherrer eine Nummer zu gross sind für die Schweiz.
Die Entwicklung endet im Januar 1969 in einem Fiasko.
... Die kurz darauf losbrechende Kontroverse um den Bau von Atomkraftwerken erlebt Scherrer nicht mehr. Am 25. September1969 stirbt der bis ins hohe Alter begeisterte Sportler an den Folgen eines Reitunfalls.“
Aus der Serie: Jahrhundert-Schweizer: Paul Scherrer
Logischerweise war Paul Scheerer auch der wichtigste Teilnehmer der „Studienkomission für Atomenergie“ (SKA) des Eidgenössischen Militärdepartments.
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Nach Bildung der SKA erhielt diese den Auftrag „ein Kriegsmittel zu entwickeln, das aus einheimischen Rohstoffquellen erzeugt werden kann“
Aus „Richtlinien für die Arbeit der SKA auf militärischem Gebiet des EMD“, 26.12.1945, in: Hug, Geschichte der Atomentwicklung der Schweiz, Seite 77
. Daraufhin begann diese mit der Suche nach schweizerischen Uranvorkommen, welche aber erfolglos blieb (das einzige größere Uranvorkommen in Europa wurde schon von der „Deutsch-Sowjetischen AG Wismut“ ausgebeutet, der einzigen Aktiengesellschaft der DDR). Für die SKA blieb dementsprechend nur noch die Möglichkeit, Uran aus dem Ausland zu erwerben. 1953-55 ergab sich für die schweizer Bundesregierung die Möglichkeit, im Rahmen eines Dreieck-geschäftes mit Grossbritannien und Belgisch-Kongo unter größter Geheimhaltung an insgesamt 10 Tonnen Uran „für Verteidigungszwecke“ zu gelangen. Diese Charge wurde halbiert, 5 Tonnen wurden in einem Gebirgsstollen unter Aufsicht des EMD eingelagert, 5 Tonnen der „Reaktor AG“ unter federführung der Firma „Brown-Boveri-Cie“ (BBC, heute ABB) zur Verfügung gestellt.
„Historisches Lexikon der Schweiz“, Stichwort: Atomenergie
Sehr früh wurde auch die Notwendigkeit von sogenannten „schweren Wassers“ (Deuterium) als Hilfsstoff für die Gewinnung von waffenfähigen Uran bzw. Plutonium erkannt. Dieses kann aus natürlich vorkommenden Wasser gewonnen werden, allerdings ist es schon von Vorteil, wenn der Deuterium-Gehalt im Wasser schon von vorneherein hoch ist. Dieses ist allerdings nur in Norwegen der Fall, so das die Firma „Norsk-Hydro“ zur Zeit des zweiten Weltkrieges (aufgrund der deutschen Besetzung allerdings nur gegenüber dem Deutschen Reich) und danach die einzige Firma war, welche Deuterium in größeren Mengen anbieten konnte. Aufgrund des Autarkie-Bestrebens der SKA wurden von der schweizer Bundesregierung 12 Millionen sFR für die Gewinnung von 12 Tonnen Deuterium aus Wasser an die Reaktor AG bereitgestellt, wobei die Sulzer AG die notwendigen Destillierungsanlagen entwickelte. 1956 erhielt die Schweiz allerdings ein deutlich günstigeres Angebot (25% der von der Schweiz veranschlagten Kosten), so das die Lieferverträge mit der Reaktor AG zugunsten der USA teilweise aufgekündigt werden konnten.
„Historisches Lexikon der Schweiz“, Stichwort: Atomenergie
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Die Schweiz besaß zu dieser Zeit keine Erfahrungen mit dem Umgang mit Nukleartechnologie. Allerdings änderte sich dieses im Jahr1955 schlagartig. Die USA versuchten zu dieser Zeit, die Nuklartechnologie auch kommerziell zu verwenden und erhofften einen technologischen Durchbruch. Damals entstanden Visionen von frei verfügbarer Energie für jedermann, Ford und General Motors designten Automobile mit Nuklearantrieb und man machte sich Gedanken über die Notwendigkeit von Stromzählern.
In diesem Zusammenhang versuchte die US-Regierung aktiv, der Nukleartechnologie ihr militärisches Image zu nehmen und kreierte die „Atome für den Frieden“- Kampange.
Im Rahmen eines gleichnamigen Kongresses der Vereinten Nationen brachten die USA einen transportabelen Reaktor namens „Saphir“ nach Genf.
Konferenz „Atome für den Frieden“ in Genf geflogen.
Als dieser Reaktor seine Schuldigkeit als Demonstrationsobjekt erledigt hatte, sah die schweizerische Regierung die Gelegenheit, nukleare Technologie zu erwerben, und kaufte diesen Reaktor zum „Spotpreis“ von sFR 770.000 auf (Die USA liessen sich auf diesem Handel ein, um einen solchen Einkauf in der UdSSR zu verhindern)
Aus: Atomtechnologie der 50er Jahre
. In der Folge wurde um den Reaktor ein Forschungsinstitut errichtet, welches die Grundlage für den eigenen Bau von Reaktoren bildete. Der Reaktor selber konnte immerhin in seiner Leistung um den Faktor 100 (von 10 Kilowatt auf 1 Megawatt) gesteigert werden.
ebendort
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Diese Forschung war notwendig, weil zur geplanten Produktion von Atombomben ein spezieller Reaktortyp notwendig ist, welcher auf dem „freien Markt“ deshalb nicht erhältlich war (Auch der „Saphir“-Reaktor war als sogenannter „Leichtwasser-Reaktor“ nicht geeignet, sogenanntes waffenfähiges Uran herzustellen. Diese Eigenschaft besitzen nur sogenannte „Natururan-Reaktoren“, welche mit Deuterium als Moderator betrieben werden (auch „Schwerwasser-Reaktoren“ genannt)
Das benötigte Uran hatte sich die Schweiz schon frühzeitig besorgt, ebenso wie das „schwere Wasser“ (Deuterium)(s.o.).
Die schweizer Regierung versuchten nun, diesen Reaktortyp als „Schweizer Linie“ zu realisieren, die „Arbeitsgruppe Kernreaktor“ (AKR) präsentierte hierzu den Entwurf für einen Reaktor namens „Diorit“, welcher 1956-1960 erbaut wurde. Dieser Forschungsreaktor erwies sich allerdings als sehr störanfällig und wurde 1977 endgültig stillgelegt. Ende der 50er Jahre wurde dann der (Groß-) Reaktor in Lucens in Angriff genommen, obwohl schon kurz nach Baubeginn die Realisation des schweizer Atomprogrammes fraglich geworden war (Stichwort: Mirage) und auch die schweizer Wirtschaft diesem Projekt eher skeptisch gegenüberstand.
Der Einbau des Reaktors in eine Felsenkaverne kann als militärische Anforderung gesehen werden, da so dieser Reaktor optimal gegen Feindeinwirkung geschützt werden kann(Aus diesem Grund haben die USA ihr Hauptquartier für den Atomkrieg („NORAD“) im Cheyenne Mountain plaziert).
„Die Sulzer AG produzierte den Reaktor in Zusammenarbeit mit der ENUSA (Energie Nucléaire SA, eine Vereinigung der Wirtschaft). Nach Plan sollte der Bund die Hälfte der Kosten tragen, die andere Hälfte sollten die Aktionäre der NGA (Nationale Gesellschaft für Atomenergie = Vereinigung der Wirtschaft) übernehmen.“
Aus: Atomtechnologie der 50er Jahre
„Mitte 1963 geriet der Bau von Lucens ins Stocken, da der Ausbruch der Kaverne wegen Rissbildungen zu unvorhergesehenen Verzögerungen und Mehrkosten führte. Ursprünglich hätte Lucens 1965 in Betrieb genommen werden sollen, die Inbetriebnahme verzögerte sich aber um drei Jahre.“
Aus: Gugerli, Kupper ,Wildi; Kernenergie in der Schweiz 1950-1990, Seite 24/27
„Anfang des Jahres 1968 wurde der Reaktor ein letztes Mal geprüft und im April/Mai wurde die erste Inbetriebnahme erfolgreich durchgeführt. Bis im Januar des nächsten Jahres wurde der Reaktor abgestellt. Während dieses Stillstandes lief das Kühlmittel (Sperrwasser = Dichtungsbestandteil) in den Kühlkreis des Reaktors. Die aus Magnesium bestehenden Umhüllungsrohre korrodierten. Als der Reaktor im Januar 69 wieder in Betrieb genommen wurde, behinderten die Korrosionsprodukte die Kühlung. Der Brennstoff überhitzte und mehrere Brennstäbe schmolzen. Ein ganzes Bündel am Rande des Reaktorkerns brannte schliesslich und barst den Reaktortank. Kohlendioxid und Schweres Wasser (Moderator der Uranspaltung) traten in die Reaktorkaverne aus. Da die erhöhte Radioaktivität bereits etwas früher gemessen wurde, konnten die Arbeiter evakuiert und die Kaverne isoliert werden. Die Aufräumarbeiten dauerten bis im Mai 73. Der vom Bundesrat in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht erschien 1979.“
Aus: Atomtechnologie der 50er Jahre
Der Traum der atomaren Eigenständigkeit (sowohl in ziviler als auch in militärischer Sicht) war damit endgültig ausgeträumt.
Dieser Störfall war in seiner Schwere (bezogen auf den Störfallverlauf) mit dem Unglück von Tschernobyl bzw. Harrisburg vergleichbar. Hier zeigte sich als Vorteil, daß der Reaktor in eine Felsenkaverne eingebaut war, da diese recht problemlos versiegelt werden konnte. Allerdings zeigte sich noch 1998 im Bereich des Kavernenausgang erhöhte Radioaktivität, die allerdings darauf zurückzuführen war, das Material aus der Reaktorkaverne bis zur endgültigen Endlagerung außerhalb des Reaktors gelagert wurde.
Buchner, Rybach, Schwarz, Bärlocher; Aerometrische Messungen im Rahmen der Übung ARM99, ETHZ und HSK, 1999 (HSK= Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen)
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Ende der fünfziger Jahre wurden erstmalige Planungen für ein Trägersystem für die avisierten Atombomben getätigt. Im Rahmen einer Untersuchung des EMD über die Realisierung der atomar gestützten Landesverteidigung (MAP-Bericht)
Breitenmoser, Strategie ohne Aussenpolitik; Zur Entwicklung der schweizerischen Sicherheitspolitik im Kalten Krieg, Seite 97
wurde erkannt, das die Schweiz aus finanziellen Gründen kein eigenes Raketenprogramm auf die Beine stellen könnte. Aus diesem Grund entschied man, der nächsten Militär-Flugzeuggeneration eine atomare Option beizustellen (In Deutschland z. B. handelte man ebenso ->Starfighter F-104 G, eine Variante, welche atomare Bomben hätte tragen können und die deshalb gegenüber dem Standard-Starfighter modifiziert wurde, was sich allerdings auf ihre Flugtauglichkeit nicht gerade positiv auswirkte)
„Nie hat die Luftfahrt eine derart rasche Entwicklung durchlaufen wie in den Fünfziger-Jahren. Mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem zweiten Weltkrieg und den finanziellen Mitteln des «Kalten Krieges» wurden in rascher Folge technische Höchstleistungen erzielt und wieder überboten. Auch in der Schweiz wurden 42 Prozent des Staatshaushalts für das Militär aufgewendet. Dennoch steckte die Flugwaffe in einer Ausrüstungskrise. Rund 300 Vampires und Venoms waren schneller veraltet als vorausgesehen. Der Kauf von 100 Hunter ab Stange konnte nur den dringendsten Rückstand aufholen. Noch bevor der Kaufvertrag über die Hunter unterzeichnet war, erteilte der Chef des EMD, Bundesrat Paul Chaudet, den Auftrag, die nächste Flugzeugauswahl vorzubereiten. Das neue Flugzeug sollte überschallschnell und mit Radar und Lenkwaffen ausgerüstet sein.
Die Abklärungen wurden einer Arbeitsgruppe Flugzeugbeschaffung (AGF) übertragen, deren kleines Pilotenteam mit Willy Frei, Arthur Moll und Hans-Ulrich Weber bereits 1957 eine rege Reisetätigkeit entfaltete. Geprüft wurden die Super Tiger von Grumman, die F-104 Starfighter von Lockheed, Saabs J-35 Draken und die französische Mirage III. Die AGF kam bald zur Überzeugung, dass Dassaults neuester Entwurf die beste Maschine war. Aus politischen Gründen mußte trotzdem noch eine Ausscheidung mit dem schwedischen Konkurrenten durchgeführt werden. Im November 1960 weilten die beiden Maschinen für Vergleichsflüge in der Schweiz.
Bereits bei der Ausarbeitung der Beschaffungsbotschaft erkannten einige Fachleute, daß der Kostenaufwand für die Beschaffung den Rahmen aller bisherigen Geschäfte sprengen würde. Während der Chef der AGF, Oberst Keller, gestützt vom Generalstabschef Annasohn, der Meinung war, daß ein Antrag von mehr als einer Miliarde Franken im Parlament scheitern müsse, waren einige Experten bereits damals der festen Überzeugung, daß eine Milliarde für das ganze Programm nicht ausreichen würde. Dennoch beantragte der Bundesrat am 28. April 1960 einen Kredit von 871 Milionen Franken für den Kauf von 100 Kampfflugzeugen Mirage IIIS, die auf der Mirage IIIC basieren und in der Schweiz in Lizenz hergestellt werden sollten. Die Räte stimmten der Vorlage mit grossem Mehr zu, obwohl dies die grösste Summe war, welche die Eidgenossenschaft je ausgegeben hatte. Während einige wenige Experten die Beschaffungsbotschaft beschönigt hatten, damit sie besser «durchging», hatten andere mit völlig provisorischem Zahlenmaterial gearbeitet. Die Absenz von Finanzexperten in der AGF war ein krasser Fehler.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Flugwaffe beschaffte man eine Maschine mit dem ausgeprägten Charakter einer Systemplattform. Das heißt, die Schweizer hatten die Möglichkeit, die für sie günstigste Kombination von Triebwerk, Radar, Waffenrechner und Bewaffnung zusammenzustellen....
Von 100 auf 57
Im Mai 1964, als rund 600 Betriebe in der Schweiz mit der Produktion von Teilen für die 100 Mirages beschäftigt waren, empfahl die Militärkommission, einen Nachtragskredit von 576 Millionen unter gewissen Vorbehalten gutzuheißen. Nur sechs Jahre früher hatten 313 Millionen noch für 100 Hunter gereicht. Das war den Räten zuviel. Sie beauftragten eine Untersuchungskommission von 20 National- und zwölf Ständeräten, sich einen Überblick über das Programm zu verschaffen. Nur drei Monate später, am 2. September 1964, wurde der Bericht veröffentlicht, ein staatspolitisches Dokument von schonungsloser Offenheit. Er sollte später, nach dem Chef der Kommission, als «Furgler-Bericht» bezeichnet werden. Der Kompromiss, anstatt der 100 nur 57 Maschinen zu beschaffen, entlastete die Staatskasse nur wenig. Dafür stieg der Stückpreis von «sehr hoch» auf «phantastisch». Dann rollten Köpfe: Der Chef der Flugwaffe, Divisionär Etienne Primault und Generalstabschef Annasohn waren die ersten. Auch Chaudet sah sich 1966 gezwungen, zurückzutreten.“
Aus:Das Ende der Fata Morgana, Artikel aus Swissaviation; Internet-Magazin für schweizer Luftfahrt
Dieses Debakel wird in der Literatur teilweise als das Ende des schweizer Atomaufrüstung gesehen, genau betrachtet stellte es nur einen Teil der Schwierigkeiten dar, wie dasUnglück im Reaktor in Lucens bewies.
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Neutralität im völkerrechtlichen Sinne bedeutet die Nichteinmischung in Kampfhandlungen im Kriegsfall sowie die Unparteilichkeit gegenüber den Kriegsparteien. Im Haager Abkommen von 1907 ist die Neutralität genauer umschrieben. Sie bedeutet in diesem Sinn, das der neutrale Staat:
a) keine Kriegspartei mit Waffen oder Streitkräften unterstüzt,
b) sein Territorium den Kriegsparteien nicht zur Verfügung stellt, die bedeutet insbesondere, keine Truppen passieren läßt.
Die Schweiz selber hatte sich schon im 16. Jahrhundert zur Neutralität bekannt (als Scheitern des damaligen Großmachtstrebens der Eidgenossenschaft in der Schlacht von Marigano 1515). International wurde der Schweiz dieser Neutralitätsanspruch 1817 auf dem Wiener Kongress zuerkannt.
Die Schweizer Grundhaltung zur Neutralität erklärt sich aus der Selbsterkenntnis, ein eher kleinerer Staat zu sein, welcher im Rahmen der Parteinahme im Kriegsfall existenziell bedroht sei. Von daher wird in der Schweiz Neutralität als das beste Mittel gesehen, um die Unabhängigkeit zu sichern. „Als Paradebeispiel für dauernde Neutralität als Maxime der Aussenpolitik gilt gemeinhin die Schweiz. Die schweizerische Neutralität hatte sich allmählich aus der alteidgenössischen Bündnispolitik entwickelt. Zum ersten Mal war sie 1647 völkerrechtlich in der Erklärung der Tagsatzung festgehalten worden. Wenn heute die Eidgenossen in veränderter politischer Lage über Sinn und Gehalt der Neutralität streiten, so liegt das auch an dem langen Wurzeln, vor allen aber an der landläufigen Identifizierung von Neutralität mit nationaler Identität“
Aus:Mit dem Teufel Kirschen essen?, Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 2.12.2002
Hierbei ist auch die schweizerische Besonderheit der „wehrhaften Neutralität“ zu beachten, welche sich vom Neutralitätsgedanken anderer Staaten unterscheidet. Im Rahmen einer Untersuchung über Neutralität im zweiten Weltkrieg unterschied Neville Wylie
Wylie; European Neutrals and Non-Belligerents During the Second World War, Cambridge University Press, 2002
die damals neutralen Staaten in drei Gruppen:
a)“phoney war neutrals“ wie z.B. die Niederlande, welche ihre Neutralität von außen geschützt sahen (in diesem Fall von Großbritannien), wobei dieser Schutz eine gewaltsame Okkupation durch Hitler-Deutschland nicht verhindern konnte. Heute ist die Bundesrepublik Österreich dieser Gruppe zuzuordnen, da auch die österreichische Neutralität auf den Bestandsschutz Österreichs durch die sogenannten Garantiestaaten von 1955 fußt (USA, Frankreich, Großbritannien und Rußland als Rechtsnachfolger der UdSSR).
b)“wait and see neutrals“ in die der Autor z. B. Italien einstufte ( die SZ bemerkte dazu zurecht: „Italien wird man am wenigsten in einem Band über die Neutralen im Zweiten Weltkrieg erwarten...“) und
c)“log haul neutral“, wobei der Autor Schweden und die Schweiz zusammenfasst. „Ihr Dilemma blieb, mit dem Teufel Kirschen essen zu müssen, ohne über einen hinreichen langen Löffel zu verfügen. Der dabei mitunter entstandene Eindruck eines „business as usual“ konnte kaum günstiger sein... (Der Autor) gelangte... zu einer eher kritischen Sicht der Neutralitätspolitik, wobei im Gegensatz zur älteren Literatur weniger die strategischen Erfordnernisse, als vor allem moralische Argumente dafür den Ausschlag gaben. Im Zweifelsfall... seien die nationalen...Interessen der internationalen Solidarität vorgegangen.“
Mit dem Teufel Kirschen essen?, Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 2.12.2002
Über die „Länge des (obengenannten) Löffels“ wird auch in der Schweiz diskutiert, zumal er dort mit dem Begriff der Wehrhaftigkeit verbunden ist:
„Die auf den Begriffen Neutralität und Wehrhaftigkeit aufgebaute nationale Identität entstand im Grunde erst im Gefolge der europäischen nationalen Einigungskriege der 1860er Jahre und den ernüchternden militärischen Erfahrunhegen, die anläßlich der ersten allgemeinen Mobilmachung ...1870/71...gesammelt wurden...
Im Anschluß an die Affäre Wohlgemuth von 1889...veröffentlichte Paul Schweizer 1895 seine tausendseitige Geschichte der schweizerischen Neutralität. Aufgabe dieses Werks war, unmittelbare Argumentationshilfe für die Behauptung der Schweizer Unabhängigkeit zu liefern...
1895 kann deshalb als Geburtsstunde des Mythos Neutralität bezeichnet werden. In den gleichen 1890er Jahren sind in der Schweiz auch die ersten ernsthaften Versuche zu beobachten, sich ein militärisches Instrument zuzulegen, das zu Recht eine Armee genannt werden kann...“
Hug; Referat aufgrund einer Einladung der Universität Bern; gehalten Juni 1998
http://www.gsoa.ch/gsoa/Zeitung/77/77_09.html
Im Zweiten Weltkrieg sah sich die Schweiz in ihrer Neutralität erstmals existenziell bedroht: Zum einen plante die sich noch wehrende französische Führung einen Angriff gegen Süddeutschland unter südlicher Umgehung der eigenen „Maginot“-Linie
Kurz; Die Schweiz in der europäischen Strategie,Bachmann Verlag Zürich, 1958, Seite 79
, zum anderen ließ auch Hitler Angriffspläne gegen die Schweiz entwickeln („Operation Tannenbaum“).
ebendort, Seite 83
Während das EPD (Eidgenössische Politische Department, schweizer Aussenministerium) alles daran setzte, den sogenannten Achsenmächten (Italien und Deutschland), welche die Schweiz seit 1940 komplett umschlossen hielten, die schweizer Neutralität möglichst vorteilhaft „zu verkaufen“, sah sich das EMD zum Notfallplan des „Reduits“ gezwungen: Die relativ schwache Armee zog sich in den alpinen Raum der Schweiz zurück, um gegebenfalls von dort einen (blutigen) Partisanenkrieg zu führen. Dieses Reduit diente später als Symbol des nationalen Widerstandes, welche den Erfolg der Wehrhaftigkeit der Schweizer Neutralität beweisen sollte.
Kurz; Die Schweiz in der europäischen Strategie,Bachmann Verlag Zürich, 1958, Seite 85
Angesichts der Schwächen des Reduits neigte das EMD allerdings später zu den radikalen militärischen Bewaffnungsplänen, die Inhalt dieser Arbeit sind.
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Am 11. Juli 1958 nahm der Bundesrat zum ersten Mal öffentlich Stellung zur atomaren Bewaffnung der Schweiz. Dabei hatte das Parlament bereits vor mehr als zehn Jahren zuvor das Leitbild der SKA bewilligt, in welchem der Wunsch nach Schweizer Atombomben festgehalten worden war. Der Bundesrat stellte sich mehr oder weniger klar positiv zur atomaren Bewaffnung, weshalb auch kritische Reaktionen aus dem Ausland, vor allem aus den USA kamen.
„Grundsätzlichen Erklärung“ des Bundesrates vom 11.Juli 1958 :
„Die Argumente, welche Befürworter wie Gegner einer zukünftigen Atombewaffnung unserer Armee ins Feld führen, zeigen vor welch schwerwiegende Entscheidungen die verantwortlichen Behörden sich gestellt sehen. Der Bundesrat hat deshalb vor längerer Zeit schon Weisungen für eine Abklärung des Problems gegeben. Diese Studien haben ergeben, daß in künftigen Kriegen der Einsatz von Atomwaffen leider nicht als ausgeschlossen betrachtet werden kann. Diese Waffen nehmen, an Zahl und Vielgestaltigkeit ständig zu. Neben einem Streben nach größter Zerstörungswirkung macht sich deutlich eine Tendenz nach Verkleinerung der ‚Kaliber‘ bemerkbar. In nicht allzu ferner Zukunft dürften Atomgeschosse auf dem „Gefechtsfeld“ von Waffen verfeuert werden.. die sich bezüglich, Gewicht und Beweglichkeit kaum mehr von den bisher gebräuchlichen unterscheiden. Damit wird die Atomwaffe zu einer Standardwaffe der taktischen Streitkräfte, ohne ihre Bedeutung als strategisches Kampfmittel zu verlieren...
...die Auseinandersetzung mit einem atombewaffneten Gegner wird für eine Angreifer eine weit gefahrvollere Aufgabe bedeuten als der Kampf gegen eine Armee ohne Atomwaffen, mag diese im übrigen noch so gut ausgebildet, ausgerüstet und tapfer sein und sich, wie die, unserige, auf ein starkes Gelände stützen. In dem Maße in dem weitere Länder die atomare Bewaffnung einführen, würde unsere Armee, im Falle eines Verzichtes, in einen Zustand relativer Schwäche verfallen, der - nicht zuletzt im Hinblick auf unsere Lage im Herzen Europas - zu schwersten Bedenken Anlass geben müsste...
In Übereinstimmung mit unserer jahrhundertelangen Tradition der. Wehrhaftigkeit ist der Bundesrat deshalb der Ansicht, daß der Armee zur Bewahrung unserer Unabhängigkeit und zum Schutze unserer Neutralität, die wirksamsten Waffen gegeben werden müssen. Dazu gehören die Atomwaffen. Der Bundesrat hat infolge dessen das Eidgenössische Militärdepartement beauftragt, die mit der Einführung von Atomwaffen in unserer Armee zusammenhängenden Fragen weiter zu verfolgen und ihm zur gegebenen Zeit zuhanden der eidgenössischen Räte Bericht und Antrag zu unterbreiten...
Den an sich anerkennenswerten Einwänden, die aus humanitären Gründen gegen die Anschaffung von Atomwaffen erhoben werden, ist jedoch entgegenzuhalten, daß die schweizerische Armee, wie jedermann weiß nur eingesetzt wird, wenn unser Land angegriffen ist und sich unser Volk im Zustand der Notwehr befindet. Dann, aber muß sie sich mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zur Wehr setzen können und darf nicht zum vornherein auf die wirkungsvollste Waffe verzichten...
Diese grundsätzliche Stellungnahme für die atomare Verstärkung unserer Armee ändert nichts an der wiederholt bekundeten Ansicht des Bundesrates, wonach alle aufrichtigen Bestrebungen zur Verminderung der Rüstung, vor allem auch auf dem Gebiete der Nuklearwaffen, zu begrüssen, sind.“
Aus: Atomtechnologie der 50er Jahre
Als Reaktion Zu dieser Erklärung bildete sich am 18. Mai 1958 die SBgaA (Schweizerische Bewegung gegen atomare Aufrüstung). Obwohl sie den Kontakt mit der schweizerischen kommunistischen Partei PDA vermied, wurde sie ein Opfer der damals nicht unüblichen „Kommunisten-Hatz“ auch seitens der NZZ und wurde ansonsten in der damaligen Presse annähernd totgeschwiegen. Trotz all dem konnte konnte die SBgaA am 1. April 1962 eine Abstimmung über die atomare Bewaffnung der Schweiz lancieren
ebendort.
. Das Ergebniss dieser Volksbefragung war allerdings eindeutig ein Votum für die Bewaffnungspläne des Bundesrates (65,2% der abgegeben Stimmen bzw. 18 von 22 Stimmen in den Ständen (Stände= schweizerische Kantonsversammlung, äquivalent zum deutschen Bundesrat). Ein Jahr später wurden die Schweizer erneut zur Abstimmung aufgerufen, diesmal über eine Initiative der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS). Ziel der Iniative war es, bei Einführungsreife einer atomaren Bewaffnung diese einem erneuten Referendum zu unterwerfen. Auch diese Initiative wurde mit 62,2% bzw. 17,5 Ständestimmen abgelehnt.
Historisches Lexikon der Schweiz, Stichwort: Antiatombewegung
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Die Frage, in welcher Form Atombomben im Rahmen einer speziell schweizerischen Verteidigungsstrategie eingesetzt werden sollte, ist im Nachhinein nicht ausreichend klärbar: Einerseits wurde ein taktischer Verwendungszweck betont, welche es auch ermöglicht hätte, andererseits im Militärhaushalt Einsparungen vorzunehmen: „Jedermann kennt die Gegenüberstellungen, wonach die Energie einer 15-Kilotonnen-Atomgranate etwa dem dreiminütigen Wirkungsschießen von 7200 Geschützen herkömmlicher Art entspricht. Wenn man sich dazu ausrechnet, daß diese Geschütze rund 300.000 Atilleristen zu ihrer Bedienung und rund 800 Lastwagen für die Munition benötigen, (...), kann man über die ertragsgesetzlichen Verhältnisse nicht mehr im Zweifel sein.“
Däniker, Strategie des Kleinstaats, 1966, Seite 162
Der Autor dieser Studie lehnte aber trotzdem eine rein taktische atomare Bewaffnung ab, da sie eskalationsfördend wirke, ohne das ihr eine strategische „Bremse“ entgegenstehen würde. Die Überlegung, 100 Mirage-Flugzeuge anzuschaffen, läßt aber auch den Schluß zu, das im Bedarfsfall auch 100 Atombomben (minus Verluste durch Abschuß) eingesetzt werden sollten. Dieses wäre die (strategische) Drohung mit der Zerstörung des Gegners.
„ Wenn man ein Flugzeug hätte wie beispielsweise den Mirage, der fähig sei, mit Atombomben bis nach Moskau zu fliegen, so könnte an sich einen Einsatz auch im Feindesland vorstellen“
Breitenmoser, Strategie ohne Aussenpolitik, 2002, Seite 97
Als weiteres Argument für eine strategische Bedrohung wurden die Hoffnung auf Egalisierung der Beziehungen gesehen, die sich dadurch herstellen ließ, das die Bedrohung der Schweiz durch 100 oder 10000 Atombomben gleichwertig sei („mehr als Tod geht nicht“), die Schweiz aber eine gleichwertige Bedrohung erstellen könnte,
Däniker, Strategie des Kleinstaats, 1966, Seite 168 f.
vor allen, wenn sie eine Zweitschlagskapazität aufbauen würde (durch militärische Anlagen, welche einen atomaren Angriff dadurch überstehen, indem sie z. B. in den Alpen „eingegraben“ wären)
ebendort, Seite 177ff.
Es darf dabei nicht verkannt werden, das als potentieller Gegner primär die Sowjetunion bzw. der Warschauer Pakt gesehen wurde. Dieses lag zum einen in der Unmöglichkeit, mittels Kampfflugzeuge ein gleichwertiges Bedrohungszenario gegenüber den USA zu realisieren, zum anderen in vermuteten Angriffvarianten, welche dem Warschauer Pakt im Falle eines Krieges unterstellt wurden: Einerseits sah man eine Art geteilter Front der NATO aus einem nördlichen Abschnitt (Deutschland) und einem südlichen Abschnitt (Italien), welche die NATO-Truppen dazu verleiten könne, diese Frontlinie durch Besetzung der neutralen Länder Schweiz und Österreich zu schliessen, andererseits wurde auch die Möglichkeit eines präventiven Angriffes aus dem Osten in Betracht gezogen, welcher eine solche Frontschließung verhindern sollte. Dabei wurde mit Sorge eine relative Schwäche Österreichs beobachtet, welche unterstellte das der Warschauer Pakt auch so vorgehen würde.
Kurz, Die Schweiz in der europäischen Strategie,1958, Seite 92 f.
ebendort, Seite 92
Insgesamt wurden die Bedrohungs- und Wirkungseffekte atomarer Rüstung wie folgt bewertet. (Leider anhand der Beispiele Nord-Koreas und Israel wohl nicht ganz zu Unrecht, wobei bisher nicht gesagt werden kann, über welche Potenziale Nord-Korea derzeit verfügt, hingegen von Israel vermutet wird, das es Atomwaffen für jeglichen Gebrauch entwickelt hat
Aus: Steinbach, Marxistische Blätter; Ausgabe 3-02
Däniker, Strategie des Kleinstaats, 1966, Seite 224
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
„Historisches
Angestoßen wurde die Entwicklung zum Atomwaffensperrvertag vom damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy. Man befürchtete damals, daß sich Atomwaffen relativ schnell über die ganze Welt verbreiten könnten und rechnete noch in den 70er Jahren mit bis zu 20 Atomwaffenstaaten, Deutschland übrigens eingeschlossen. 1968 wurde der Vertrag auf einer Konferenz beschlossen und war bis 1970 von ausreichend vielen Staaten ratifiziert worden, so daß er in Kraft treten konnte.
Als Kernwaffenstaaten in diesem Vertrag gelten alle Staaten, die bis 1967 erfolgreich einen Atomwaffentest durchgeführt hatten, dies waren die USA, die Sowjetunion, England, Frankreich und China.
Der Vertrag
Ergebnis der Verhandlungen war eine Liste von Verpflichtungen, die die Kernwaffenstaaten und die weiteren Mitgliedsländer eingangen sind.
Verbreitung von Kernwaffen nach Vertragsabschluß
Zunächst ist festzuhalten, daß zwei der fünf Atomwaffenstaaten, Frankreich und China, erst 1992 dem Vertragswerk beigetreten sind. Es sind aber nach 1970 weitere Staaten atomwaffenfähig geworden, auch wenn sie es nie zugegeben haben. Dazu gehört zunächst Israel, welches heute über etwa 200 Sprengköpfe verfügen dürfte. Auch Indien und Pakistan werden heute zu den de-facto Kernwaffenstaaten gezählt. Bei Indien vermutet man, daß es etwa 20-50 und Pakistan 10-20 Atomwaffen besitzt. Ebenfalls in diesen Kreis gehört Südafrika, das aber nach offiziellen Angaben seine 6 Sprengköpfe bereits wieder vernichtet hat und 1991 dem NPT beigetreten ist. Israel, Indien und Pakistan sind keine Mitglieder...
Weiterhin gibt es zwei Staaten, die bereits relativ weit fortgschrittene Atomprogramme hatten aber Mitlglieder des NPT waren. Dies sind der Irak und Nord-Korea. Zumindest der Irak hatte wohl darauf gebaut, daß der Vertrag ausläuft, bevor er sein Waffenprogramm fertig hat. Auch der Iran, Libyen und Algerien haben Forschungsprogramme betrieben, allerdings geht man davon aus, daß sie noch nicht sehr weit fortgeschritten sind. Von diesen Staaten war nur Algerien nicht Mitglied. Einige weitere Staaten haben auch noch nach 1970 Kernwaffenprogramme betrieben, sie aber bis heute einstellt. Dies sind Schweden, Argentinien und Brasilien. Schweden war von Anfang an Mitglied des NPT. Schließlich gibt es noch eine Reihe von Staaten, die die technische Fähigkeit zur Waffenproduktion haben, bis jetzt aber aus politischen Gründen darauf verzichtet haben. Dazu gehören Deutschland, Japan, Kanada und Belgien, sowie einige weitere industrialisierte Länder.
Kritik:
Am Vertrag gibt es in seiner bestehenden Form einige Kritikpunkte.
Zunächst ist der Vertrag de-facto und de-jure diskriminatorisch. Er schreibt fünf Kernwaffenstaaten auf Dauer fest, sieht keinerlei Kontrollen in diesen Staaten vor und baut in der Praxis ein Dreiklassensystem des Technologiezuganges auf. Einer ersten Gruppe von Staaten ist der Besitz von Kernwaffen auf Dauer erlaubt. Einer zweiten Gruppe von (Industrie-) Staaten ist zwar der Zugriff der Kernwaffen verwehrt, aber alle sensitiven Technologien können genutzt oder innerhalb dieser Gruppe exportiert werden. Einer dritten Gruppe von Staaten ist sowohl der Zugriff auf Kernwaffen als auch auf bestimmte sensitive Technologien verwehrt, die hier als Ausdruck einer Kernwaffenoption interpretiert werden...
Im gleichen Zwiespalt ist die Internationale Atomenergiebehörde in Wien. Zum einen soll sie die Verbreitung von Atombomben unterbinden und zum anderen die zivile Kernenergie fördern. Diese Doppelrolle bringt der Behörde viele Schwierigkeiten. Zusätzlich ist der Etat, den sie für Kontrollen zur Verfügung hat, eher rückläufig. Da sich die IAEO bei ihren Kontrollen nach der Menge des verwendeten Materials richtet, kontrolliert sie zu 60% in Deutschland und Japan. Weitere 10% werden in Kanada verwendet, der Rest des Etats wird fast auschließlich in den anderen Staaten Europas verwandt. So können Staaten wie der Irak, der ein Kernwaffenprogramm mit einer relativ kleinen Menge von spaltbarem Material hat, die Gesamtzahl der Inspektionen verringern, indem sie das atomare Material auf mehrere Anlagen verteilen. Allerdings kann die IAEO auch Sonderinspektionen in Verdachtsfällen durchführen. Nach den Erfahrungen mit dem Irak, versuchte sie sie zum ersten Mal in Nord-Korea anzuwenden, worauf Nord-Korea sofort mit dem Austritt aus dem Vertrag gedroht hat.“
Am 17.April 1995 begann in New York die Überprüfungs- und Verlängerungskonferenz zum „Nuclear- Non-Proliferation-Treaty“ kurz NPT oder zu deutsch Nichtweiter- verbreitungs-Vertrag (NVV) oder Atomwaffensperrvertrag. Diese Konferenz dauerte bis zum 12. Mai 1995. Im wesentlichen ging es dabei um die eindeutige Verlängerung des Vertragswerkes. Im Vertrag gibt es eine Klausel, die auch durch den Druck der Deutschen zustande gekommen war, die wie folgt lautet: „Fünfundzwanzig Jahre nach Inkrafttreten dieses Vertrages wird eine Konferenz einberufen, die beschließen soll, ob der Vertrag auf unbegrenzte Zeit in Kraft bleibt oder um eine oder mehrere bestimmte Frist oder Fristen verlängert wird. Dieser Beschluß bedarf der Mehrheit der Vertragsparteien.“ (NVV Artikel X(2)). Als Folge dieser Konferenz wurde der Vertrag auf unbestimmte Zeit verlängert.
Aus der Zeitschrift „ZWEIUNDVIERZIG“, Ausgabe 2/95
Die Schweiz trat diesem Vertragswerk 1968 bei, wobei sie diesem Beitritt aber erst 1977 ratifizierte. Die Beispiele Nord-Korea und Schweden zeigten, das dieser Vertrag durchaus „Schlupflöcher“ für diejenigen Staaten bot, welche eine eigene Atomwaffen-Entwicklung weiterverfolgten, bzw. das ein solches Ansinnen einer Mitgliedschaft in diesem Vertrag nicht entgegenstand. Erst nach einer gewissen Zeit entwickelte dieser Vertrag eine gewisse Verbindlichkeit und Durchsetzungsfähigkeit, wobei das Beispiel Nord-Koreas zeigt, das diese Durchsetzungsfähigkeit nicht absolut ist.
Für die Schweiz bedeute der Beitritt 1968 zwar das de-facto-Ende der atomaren Bewaffnungspläne, Sie selber hielt sich allerdings bis zur Ratifizierung 1977 eine potentielle Änderung dieses Ergebnisses vor, so das erst mit dem Jahr 1977 vom endgültigen Ende des Planes, die Schweiz atomar aufzurüsten, gesprochen werden kann. Diese eher Zwiespältige Haltung zeigte sich auch in der Gründung des „Arbeitsausschuss für Atomfragen“ (AAA) im Jahr 1969, welcher den Auftrag hatte, „für die Landesregierung die nukleare Option offenzuhalten“.
Das definitive Fallenlassen dieser Option erfolgte letztendlich Mitte der achtziger Jahre durch das zulassen internationaler Kontrolle der schweizerischen Uranreserven aus dem geheimen Handel 1953-1955 sowie die Auflösung des AAA im Jahr 1988.
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Es kann folgende Hypothese aufgestellt werden: der Schweiz stand ein „Zeitfenster“ von 1963 bis 1968 (Atomwaffensperrvertrag) zur Realisation einer „Schweizer Atombombe“ zur Verfügung. Im Gegensatz dazu Israel: „Es gibt glaubwürdige Annahmen, daß Israel Mitte der 60er Jahre eine oder vielleicht auch mehere Kernwaffen in der Negev-Wüste nahe der isrelisch-ägyptischen Grenze zündete und dass es sich aktiv an den französischen Atomtests in Algerien beteiligte.“
Steinbach, Israels Massenvernichtungswaffen:eine Bedrohung des Friedens, Marxistische Blätter, 2002
Israel stand wohl ein vergleichbares Zeitfenster zur Verfügung, konnte dieses aber im Gegensatz zur Schweiz nutzen.
Die „Schweizer Atombombe“ scheint aus historischer Sicht an mehreren Problemen gescheitert zu sein, wobei hier diese Probleme chronologisch genannt werden.
1) Die Verzögerungen bezüglich der Fertigstellung des Reaktors in Lucens: Währe der Reaktor entsprechend der ursprünglichen Planung fertigestellt worden, hätte die Schweiz entsprechend früh mit der Herstellung waffenfähigen U-235 beginnen können, um aus diesem Uran die ersten Bomben entwickeln zu können ( Die Schweiz trat zwar schon 1963 dem Atomwaffen-Teststop-Vertrag bei, dieser bezog sich aber auf oberirdische Test-Versuche, die die Schweiz auf ihrem Territorium sowieso nicht hätte durchführen konnte. Die Alternative unterirdischer Versuche stand der Schweiz hingegen ausreichend zur Verfügung, da diese optimal in Felsenkavernen innerhalb masssiver Felsformationen durchzuführen sind, und die Schweiz ausreichend über Felsformationen verfügt hätte.)
2) Die Mirage-Krise: Die Beschaffung des erwünschten Atomwaffenträgers scheiterte daran, das die Kosten unterschätzt wurden und in Folge dessen dieser Träger zwar für die schweizer Armee angeschafft wurde, er aber seine Eignung als Träger verlor.
3) Der GAU („Größtmöglich Anzunehmender Unfall“) im Kraftwerk in Lucens, welcher, nachdem schon im Rahmen der Mirage-Affäre die schweizer Atomwaffenpolitik in Frage gestellt war, nun dafür sorgte, daß diese auf unabsehbare Zeit in Ermangelung an waffenfähigen Uran (U-235) nicht mehr zu realisieren war.
-) Die Kostenfrage (hier extra mit Bindestrich angeführt, da sie letztendlich nicht chronologisch bzw. anderweitig zugeordnet werden kann): Zwar ist in der Schweiz die Bereitschaft für Ausgaben für militärische Aufgaben sehr groß, allerdings schien diese auch an Grenzen gestoßen zu sein.
Siehe hierzu auch: Hug; Konzept zur Abschätzung der volkswirtschaftlichen Kosten der schweizerischen Landesverteidigung, 1999
Eine Grenze im Bezug auf die Bereitschaft der schweizer Bevölkerung war zum Beispiel mit der Anschaffung der Mirage IIIS erreicht worden zu sein. Der Beschaffungskredit (in Höhe von ca. 1 Milliarde sFR) war zwar der größte Kredit, den der schweizer Bundesrat ohne Akzeptanz-Probleme bewilligt bekam, aber die Überschreitung desselben um c.a. eine halbe Milliarde sFR überschritt dann den doch die Akzeptanz-Schwelle. Von daher ist es nicht verwunderlich, das der schweizer Bundesrat Abstand davon nahm, weitere Projektkosten von ca. 3 Milliarden sFR. (MAP-Bericht)
Zitat MAP-Bericht , aus: Breientmosser; Strategie ohne Aussenpolitik, Seite 96
zu beantragen.
(In anderen Ländern, welche heute zu den „inoffziellen“ Atommmächten gehören, stellt sich die Situation anders dar: Im Beispiel Israel, welches sich als „ewig“ bedrohte Nation versteht, zeigt sich die Bereitschaft der Bevölkerung für die Unterstützung selbst extremer militärischer Planungen demokratisch legitimiert; Im Beispiel Nord-Koreas bzw. des Iraks
(welcher aufgrund der Zerstörung seines eigenen „Schwerwasser-Reaktors“ durch Israel nicht mehr zu den potenziellen Atommächten gehört) zeigt sich, das in einer diktatorischen Führung die Bereitschaft der Bevölkerung letztendlich nicht gefragt ist, sondern diese mittels propagandistischer Mitteln erzeugt werden kann.)
-)Der Autarkie-Gedanke: Im Gegensatz zu Israel versuchte die Schweiz von vorneherein, die Atombombe im Alleingang zu entwickeln. „Israel hatte von Beginn an einen aktiven Anteil am französischen Kernwaffenprogramm, indem es kritische technische Gutachten lieferte. (...)Im September 1979 entdeckte ein Sattelit der USA den Test einer Atombombe in der Atmosphäre über dem Indischen Ozean vor der Küste Südafrikas.(...)Später wurde aus israelischen Quellen bekannt, dass es dort tatsächlich drei sorgfältig abgesicherte Tests israelischer miniaturisierter atomarer Artilleriegranaten gegeben hatte“
Steinbach, Israels Massenvernichtungswaffen:eine Bedrohung des Friedens, Marxistische Blätter, 2002
Es kann angenommen werden, das z.B. Israel durch Antizipation an Projekten jeweiliger Projektverbündeter (Frankreich bzw. Südafrika) deutliche Gewinne bzw. Kosteneinsparungen erzielen konnte, welche die Schweiz aufgrund des Versuches, die Atombombe mitsamt dazugehöriger Technologie im Alleingang zu entwickeln, nicht umsetzen konnte.
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
1920 | ETH Zürich ernennt Paul Scherrer zum Professor |
1942-44 | Der deutsche Physiker Werner Heisenberg unterichtete sowohl im Jahr 1942 als auch im Jahr 1944 an der ETH Zürich (ETHZ) |
5.11.1945 | Konferenz des EMD zur nuklearen Landesverteidigung |
1946 | Bildung der (geheimen) „Studienkommission für Atomfragen“ (SKA) unter Führung von Paul Scherrer |
1953-55 | Schweizer Bundesregierung erwirbt im Rahmen eines Dreiecks-geschäftes mit Grossbritannien und Belgisch-Kongo unter größter Geheimhaltung insgesamt 10 Tonnen Uran „für Verteidigungszwecke“ |
1955 | Kauf des Reaktors „Saphir“ von den USA nach der Konferenz „Atome für den Frieden“ |
11.7.1958 | Öffentliche Erklärung des schweizerischen Bundesrates zur atomaren Bewaffnung der schweizer Armee |
Ende der 50er Jahre | Baubeginn des (Schwerwasser-) Reaktors in Lucens |
28.4.1960 | Anschaffungskredit für 100 Flugzeuge des Typs Mirage IIIS (871 Millionen sFR) |
Mitte 1963 | Verzögerungen beim Bau des Reaktor in Lucens, Verschiebung der Betriebsaufnahme von 1965 auf 1968 |
18.10.1963 | Abschlussbericht „Möglichkeiten einer eigenen Atomwaffenproduktion“ (MAP-Bericht) |
Mai 1964 | Nachtragskredit über 576 Millionen sFR für das Mirage-Projekt beantragt |
2.9.1964 | „Furgler-Bericht“; Reduzierung der Anzahl zu beschaffener Mirage IIIS-Flugzeuge auf 57 Stück |
1968 | Die Schweiz tritt dem Atomwaffensperrvertrag bei |
Januar 1969 | Störfall im Reaktor Lucens, welcher zur Zerstörung desselben führte |
1969 | Gründung des „Arbeitsausschuss für Atomfragen“ (AAA) |
1977 | Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages |
um 1985 | Internationale Kontrolle der schweizerischen militärischen Uranreserve (5 Tonnen) |
1988 | Auflösung des AAA, definitives Ende des schweizer Atomwaffenprogramms |
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
Diese Hausarbeit ruht hauptsächlich auf Fundquellen im Internet, diese seien hier deshalb auch genauer benannt:
Historisches Lexikon der Schweiz; gefunden unter:
Stichwort: Atomwaffen= http://www.snl.ch/dhs/externe/protect/textes/D24625.html
Stichwort: Atomenergie= http://www.snl.ch/dhs/externe/protect/textes/D17356.html
Stichwort: Antiatombewegung= http://www.snl.ch/dhs/externe/protect/textes/ D16516. html
Von Röntgen bis Hiroshima; Ein Dossier über die Geschichte der Atombombe
http:// www.ev-stift-gym.guetersloh.de/uforum/physik-lk-12-1997-1998/atombombe/ abomb1.html#ersten37
Gesspräch zwischen Bohr und Sowjetagent:
http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~kucklae/sowjet.htm
Jahrhundert-Schweizer: Paul Scherrer; Coopzeitung online:
http://mypage.bluewin.ch/rowu/seiten/scherrer.html
Gugerli, Kupper ,Wildi; Kernenergie in der Schweiz 1950-1990, Seite 24/27:
http://www.tg.ethz.ch/dokumente/pdf-files/SEV-Artikel.pdf
Swissaviation; Internet-Magazin für schweizer Luftfahrt, Das Ende der Fata Morgana
http://www.swissaviation.ch/aktuell/militaerluftfahrt.html
Hug; Referat aufgrund einer Einladung der Universität Bern; gehalten Juni 1998
http://www.gsoa.ch/gsoa/Zeitung/77/77_09.html
Hug; Konzept zur Abschätzung der volkswirtschaftlichen Kosten der schweizerischen Landesverteidigung, 1999
http://www.woz.ch/wozhomepage/zip/HUGVOKOL.PDF
„ZWEIUNDVIERZIG“, Ausgabe 2/95, gefunden als
http://www.uni-oldenburg.de/fsphysik/dokumente/42/2.95/nvv.html
Folgende Quellen wurden zwar auch im Internet gefunden, die Autoren bestanden allerdings auf die Nennung der gedruckten Ausgaben als Quellennachweis:
Buchner, Rybach, Schwarz, Bärlocher; Aerometrische Messungen im Rahmen der Übung ARM99, ETH Zürich und HSK, 1999
Breitenmosser; Strategie ohne Aussenpolitik, Zur Entwicklung der schweizerischen Sicherheitspolitik im Kalten Krieg (Studien zur Zeitgeschichte der Schweizerischen Sicherheitspolitik im Kalten Krieg, Vol. 10), ETH Zürich, 2002
Weitere Quellen (ohne Internet-Bezug):
Mit dem Teufel Kirschen essen?, Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 2.12.2002
Kurz; Die Schweiz in der europäischen Strategie,Bachmann Verlag Zürich, 1958
Däniker, Strategie des Kleinstaats, Huber-Verlag Stuttgart,1966
Steinbach, Israels Massenvernichtungswaffen: Eine Bedrohung des Friedens, Artikel aus den Marxistische Blättern; Ausgabe 3-02
Weitergehende Literatur:
Hug, Geschichte der Atomentwicklung in der Schweiz, Liz. Bern, 1987
Metzler, Die Option einer Nuklearbewaffnung für die Schweizer Armee, Liz. Basel, 1995
Heiniger, Die schweizerische Antiatombewegung 1958-1963. Liz. Zürich, 1980
Neue Züricher Zeitung vom 12.7.1958
Stüssi-Lauterbach, Historischer Abriss zur Frage einer Schweizer Nuklearbewaffnung, Bern 1995
Wylie; European Neutrals and Non-Belligerents During the Second World War, Cambridge University Press, 2002